Können Softdrinks Sünde sein? Die Ernährungstherapeutin und der Arzt relativieren. Massvoll genossen sind Süssgetränke unbedenklich. Die Tücke liegt aber in den versteckten Kalorien.
Dr. med. Reinhard Imoberdorf, Chefarzt Innere Medizin
Maya Rühlin, Leiterin Ernährungstherapie/-beratung
Sind Softdrinks ungesund?
Im Grundsatz nicht, es gilt zu differenzieren. Unter Softdrinks fallen alle alkoholfreien Getränke, vom Energy-Drink bis zum Leitungswasser. Für Linienbewusste wird es dann problematisch, wenn sie ihren Durst aus lauter Gewohnheit nur noch mit zuckerhaltigen Getränken löschen.
Wo liegt das Problem?
In den versteckten Kalorien. Gängige Süssgetränke enthalten circa 100 Gramm Zucker pro Liter. Natürlich können Sie auch damit den Durst löschen. Das ist aber, als würden Sie einen Liter Wasser trinken und dazu 25 Stück Würfelzucker essen. Wahrscheinlich käme Ihnen früher oder später die zündende Idee, den Zucker einfach wegzulassen.
Sie predigen also Wasser?
Wasser ist und bleibt der empfohlene Durstlöscher.
Und wenn mir das Wasser verleidet ist?
Dann wählen Sie einfach die goldene Mitte: Ausreichend Wasser als Durstlöscher und dazu ein Glas Fruchtsaft zum Geniessen. So ist es auch in der Schweizer Lebensmittelpyramide abgebildet: Das Wasser in der breiten Basis („reichlich über den ganzen Tag verteilt“) und Süssgetränke in der dünnen Spitze („Massvoll mit Genuss“).
Oder ich greife zur Light-Version. Allerdings wird gemunkelt, künstlich gesüsste Produkte würden den Appetit anregen – also ein Eigengoal?
Nein. Der oft gehörte Verdacht, dass Light-Getränke Übergewicht und Adipositas indirekt begünstigen oder aggressiv machen, ist wissenschaftlich nicht erhärtet. Vorsichtig wäre ich allerdings bei Kindern, weil sie sich auch über die Light-Versionen an Süssgetränke als Durstlöscher gewöhnen. Mehr als einen halben Liter pro Tag sollten sie nicht trinken.
Immerhin schonen sie damit ihre Zähne.
Anders als Zucker fördern künstliche Süssstoffe keine Karies. Aber auch Light-Getränke enthalten Säuren, die zu Zahnerosion führen können. Entscheidend ist hier weniger die konsumierte Gesamtmenge als vielmehr die Häufigkeit der Einnahme. Am meisten schadet seinen Zähnen also, wer über den ganzen Tag hinweg immer wieder einen Schluck nimmt.
Zurück zur Gewichtszunahme. Wie ungesund ist der von Amerika inspirierte Trend zu Fastfood und Süssgetränken?
Das Verzwickte an der Sache ist die doppelte Kalorienzufuhr, viel Fett im Essen und reichlich Kohlehydrate im Getränk. In der Regel isst nicht weniger, wer sich dazu ein Süssgetränk genehmigt; kalorienreiche Getränke sättigen nämlich bedeutend weniger als feste Nahrung mit gleichem Kaloriengehalt. Allerdings sind Erkenntnisse aus den USA nicht eins zu eins auf unsere Verhältnisse übertragbar. Zum einen verwenden die Amerikaner zum Süssen vorwiegend aus Mais gewonnenen Fruchtzucker (corn syrup) mit hohem Fructoseanteil, während in Europa hergestellte Süssgetränke in der Regel Saccharose (Haushaltzucker) und Glukose (Traubenzucker) enthalten. Zudem hat sich in Amerika in breiten Kreisen eine Art „Kultur der Bewegungsarmut“ etabliert.
Zusammengefasst Ihr Tipp für Durstige?
Wie bei so vielem entscheidet das richtige Mass. Nichts gegen massvollen Einbezug von Süssgetränken, aber die Übertreibung ist ungesund.