Ein voller Magen studiert nicht gern, ein leerer Kopf auch nicht. Das Hirn braucht Nahrung, vor allem geistige. Aber auch die physische Ernährung kann Denkleistung und Merkfähigkeit beeinflussen.
Gespräch mit Prof. Dr. med. Peter E. Ballmer, Direktor Departement Medizin
Warum ist die „Wunderpille“ gegen Gedächtnisschwund nicht schon längst erfunden?
Weil die Entwicklung von Demenz auf eine Vielzahl von Faktoren zurückgeht, über deren Zusammenwirken noch zahlreiche Fragen offen sind. Und selbst wenn alles schon geklärt wäre: Die Vorstellung, das Hirn allein mit ein paar geschickt zusammengestellten Substanzen in Schwung halten zu können, erscheint mir reichlich illusorisch. Der positive Einfluss von körperlicher und geistiger Aktivität wird sich nie durch irgendwelche Wunderpillen kompensieren lassen.
Dann spielt also die Ernährung für ein gesundes Hirn keine Rolle?
Doch, auf jeden Fall. Eine sinnvoll zusammengestellte Ernährung kann das Risiko, an Demenz zu erkranken, reduzieren. Frühere Annahmen über eine beinahe undurchlässige Bluthirnschranke sind widerlegt, Gehirnfunktionen können durch die Aufnahme von Nährstoffen durchaus beeinflusst werden.
Worauf sollen wir denn mit zunehmendem Alter beim Essen achten?
Ich möchte den Kreis weiter fassen, angesprochen sind alle Altersgruppen. Unser Hirn entwickelt und verändert sich ein Leben lang, daher greift der Einfluss von Stoffwechsel und Ernährung nicht erst in reiferen Jahren. Doch nun konkret: Antioxidantien, Vitamine und spezielle ungesättigte Fettsäuren können möglicherweise einer Degeneration des Hirns entgegenwirken.
Wo finden sich diese Stoffe im Alltag?
In der mediterranen Küche, aber nicht nur dort. Kernpunkte im sinnvollen Ernährungsmuster sind frisches Obst und Gemüse, gesunde pflanzliche Fette und Öle (Olivenöl und Rapsöl), mehr Fisch und Geflügel, weniger rotes Fleisch, wobei Letzteres nicht unwidersprochen ist, sowie weniger verarbeitetes Fleisch wie Wurstwaren.
Dann essen wir doch einfach mehr Fisch.
Gesund wäre es, aber da ist ein Haken. Weltweit sind die guten Fischgründe zunehmend ausgeplündert, wir stossen also an Grenzen der ökologischen Vernunft.
Aber es muss ja nicht jeder Fisch aus Naturfang stammen
Die Sache mit Zuchtfisch (sog. Aquakultur) hat oft den gleichen Haken. In vielen Fischzuchten wird Fischmehl- und öl verfüttert. So sind wir mit Zuchtfisch am Schluss keinen Schritt weiter, schlimmer noch: für 1 Kilogramm Zuchtfisch werden 2,5 bis 5 Kilo Fischfutter benötigt.
Was bleibt dann noch?
Das richtige Mass. Beim Fisch aus ökologischen und bei den Wurstwaren aus gesundheitlichen Gründen.
Kann Demenz auch durch punktuelle Mangelerscheinungen beschleunigt werden?
Im Ausnahmefall ja. So wird bei Demenzabklärungen auf Schilddrüsen-Unterfunktion sowie eine allfällige Unterversorgung mit Folsäure und Vitamin B-12 geachtet. Letztgenanntes ist vor allem in tierischen Produkten enthalten. Deshalb kümmern sich Veganer mit Vorteil um ausreichenden Ersatz.